22.1.08

2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19...

Bei der Lektüre von Daniel Kehlmanns Bestseller "Die Vermessung der Welt" faszinierte mich kürzlich die dort beschrieben Eigenart von Carl Friedrich Gauß, Primzahlen zu errechnen wenn er sich langweilte. Langweilen kann ich mich auch ganz gut, Primzahlen errechnen habe ich dagegen noch nicht versucht. Genaugenommen habe seit meiner Schulzeit die Definition einer Primzahl schon wieder so erfolgreich verdrängt, dass ich jetzt erstmal wieder nachforschen musste, was so eine Zahl ist, wie man sie errechnet und was man danach damit anfangen kann.

Leichte Goldgräberstimmung erfasste mich, als ich feststellte, dass die Electronic Frontier Foundation 100.000,- US-Dollar für denjenigen ausgelobt hat, der die nächst-höchste Primzahl errechnen würde - völlig ausser Acht lassend, dass niemand viel Geld verschenken würde für eine Sache, die ein Zahlen-Amateur wie ich auch nur ansatzweise lösen könnte. Um Es kurz zu machen: An der Arbeit sitzen Professorenteams, die dazu auch noch Hochleistungscomputer benutzen (was ich persönlich ein bisschen unsportlich finde) und die normalerweise rund ein Jahr brauchen um die nächste Zahl herauszufinden.

232582657-1 ist die derzeit größte bekannte Primzahl. Sie hat 9.808.358 Dezimalstellen. Um Diese Zahl komplett aufzuschreiben würde ich rund 68 Tage brauchen, vorrausgesetzt ich schaffe es zwei Monate ohne Schlaf und ohne Hand-Krämpfe durchzuschreiben. Nachdem ich mir diese Dimensionen klar gemacht habe, habe ich mich gerade dazu entschlossen, die 100.000 Dollar großzügig den Professoren zu überlassen und nicht in ein Konkurrenzverhältnis zu ihnen zu treten.

15.1.08

Sonnenfänger


Selbstbild vs. Fremdbild

Der Mensch tendiert dazu, sich selbst nicht vollständig objektiv zu betrachten - den nötigen Abstand zur eigenen Person zu gewinnen ist einfach schwierig. Trotzdem bemüht man sich natürlich, bestärkt durch von außen kommendes Feedback Selbst- und Fremdbild nicht zu weit voneinander abweichen zu lassen. Um so überraschender trifft es einen, wenn man plötzlich mit Attributen versehen wird, die man selbst weit von sich gewiesen hätte und die sich auch nur sehr schlecht mit der Eigenwahrnehmung vertragen.

Das ich ein ziemlicher "Proll" bin, wie mir von einer lieben Freundin vor kurzem so charmant aufs Auge gedrückt wurde, war vielleicht noch durch den besonderen Kontext zu rechtfertigen. Dass ich mir gestern aber auch noch sagen lassen muss "Naja, ich will dich nicht als pummelig bezeichnen, aber ein bisschen kräftiger bist du ja schon..." schlägt dem Fass den Boden aus.
Als sensibler und unsicherer Zeitgenosse werde ich nun also ohne Essen zu klassischer Musik Schach spielen, bis mich niemand mehr als pummeligen Proll bezeichnen kann. Gemeine Welt!

11.1.08

Sô lâ mir den lîp...

In Hartmann von Aues Arthusroman "Erec"trifft der titelgebende Held auf einer seiner aventiuren auf einen kleinen Ritter, mit dem er sich sogleich zu schlagen beginnt. Nachdem er sich nach einiger Zeit souverän gegen den Kleinen durchgesetzt hat, stellt sich dieser als "künec über Îrlant, Guivreiz le pitîz genant" vor und bittet um sein Leben:

'nein', sprach er, 'ritter guot,
durch dînen tugenthaften muot
unde durch dîn schoene wîp
sô lâ mir den lîp
und êre got an mir.

Etwas freier übersetzt also: "Warte, guter Ritter - deine Frau sieht so gut aus, lass mich am Leben!" Abgesehen von der unnötigen Gewalt, den die beiden wohl unzureichend gesellschaftlich integrierten Schläger propagieren indem sie durch das Land reisen und sich mit jedem prügeln, der nicht bei drei auf den Bäumen ist - was ist das denn bitte für eine Argumentation? Enite (Erecs wunderschöne Frau) ist schließlich einer der Gründe, weshalb die beiden aufeinander los gehen (Guivreiz der Kleine möchte sie gerne für sich selbst, gleichzeitig sind die beiden Recken auch noch so tapfer und mutig, dass sie gar nicht anders können, als gegeneinander kämpfen) und wird nun plötzlich zu einem Argument in der Gnadenbitte des Irischen Königs. Anstatt dem Zwerg für diesen Schwachsinn erst Recht den Kopf abzuschlagen gibt ihm Erec die Hand und beide beklagen die Wunden, die sie dem anderen geschlagen haben und sind sofort die besten Freunde.

So geht es dann die ganze Zeit weiter: Erec reitet durch die Gegend, Enite irgendwo bei sich (sie wird die meiste Zeit als Pferdeknechtin behandelt, weil sie ihn vor Räubern gewarnt hat - komplizierte Geschichte), irgendein Landesfürst (tapferer und mutiger als alle anderen) finden Enite toll und will sich mit Erec um sie schlagen. Manchmal reicht aber auch Erecs bloße Anwesenheit, ein schräger Blick oder ein unerwiderter Gruß um eine Prügelei zu provozieren. Nachdem man dann den ganzen Vor- oder Nachmittag mit den Schwertern aufeinander eingeschlagen hat überlegt man es sich dann anders - das Wetter ist zu gut, Enite zu hübsch oder beide so tapfer - und ist auf einmal dick befreundet.

Wenn es sich hierbei nicht um eine literarische Fiktion handeln würde, in dem edle und tapfere Ritter sich mutig von einem Abenteuer ins nächste stürzen könnte man auch meine, ein paar intellektuell eher benachteiligte Muskelprotze lassen lieber die Schwerter sprechen anstatt zu viel zu quatschen, fühlen sich durch die Schlägerei auch noch in ihrer "Ehre" bestärkt und sind auch sofort bereit sich nach der zünftigen Klopperei wieder zu versöhnen. "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich...."