12.9.06

Soziologie?

Hurra. Während ich beim Bewältigen der alpin anmutenden Geschirrberge meinem Haus- und Hofsender WDR 5 lausche, referiert ein hauptberuflicher Soziologe über die Gesundheitsreform bzw. vor allem über die empirisch überprüfte Meinung der breiten Masse der deutschen Bevölkerung: "Die Befragungen habe ergeben, dass die Leute vor allem möglichst viel Leistung für möglichst niedrige Beiträge haben wollen."

Das mag jetzt überraschend klingen, aber eine sarkastische Stimme in meinem Hinterkopf merkt an, dass fast jeder dem ich von diesem Ergebnis erzählen werde behaupten wird "Das hätte ich dir auch sagen können." Selbstverständlich entbehrt die Meinung des Volkes jeglicher wissenschaftlichen Fundamente und schmückt sich auch nicht mit schicken Fachtermini - aber irgendwie beschleichen mich in so einem Moment dann doch Zweifel, wie sinnvoll die Soziologie für uns ist.

Um nicht mehr dem schlechten Einfluss des WDR 5-Soziologen ausgesetzt zu sein, schalte ich schnell ab und höre stattdessen Elemet of Crime - so kann ich mich wieder auf die guten und interessanten Seiten meines Hauptfaches konzentrieren und gleichzeitig überlegen warum ich der einzige zu sein scheine, dem auffällt das Frauen irgendwie komisch sind...

4.9.06

Das schöne an einem Blog...

...ist, dass man seine Gedanken, seine Gefühle und seine Meinungen öffentlich darstellt (oder zumindestens den Blog dazu nutzen kann). Dazu gehört nicht nur, öffentlich überzureagieren, wenn man nach zwei schrecklichen Tagen die Welt im Allgemeinen als ungerecht empfindet und sich voller Selbstmitleid und voller selbstgerechtem Zorn darüber auslässt das alles Scheiße ist - dazu gehört auch, sich danach öffentlich schlecht zu fühlen, weil man sich durch eine solche Überreaktion bloßstellt und lächerlich macht.

Ich habe mich sehr geärgert - über eine junge Dame, die ich gerade zu mögen anfing als sie sich als egoistische Zicke entpuppte, über einen blasierten Dozenten, der mich auslachte als ich fragte, warum er meine Mails nicht beantwortet, über Menschen, die einen geplanten netten Abend nur dazu nutzen über andere Menschen zu lästern, die ich eigentlich mag. Diese Punkte und noch ein oder zwei weitere, auf wenige Stunden konzentriert, haben mich sauer gemacht und zu der Überreaktion getrieben, die ich mit "Grinchige Gedanken" überschrieben habe.

"Nach dem Regen scheint auch wieder die Sonne" sagt ein Sprichwort, auf die Sonne zu warten ist nur eine Frage der Geduld und der inneren Ausgeglichenheit. Hätte ich nur noch einen Tag gewartet, hätte ich diese Erfahrung selbst wieder einmal machen können. Die letzten beiden Tage waren sehr angenehm und geprägt von kollegialem Miteinander auf dem WDR 3 Kulturpartnerfest, entspanntem Kulturgenuß beim Nachmittagstee vor dem Radio und aufregendem Pläneschmieden für den nächsten Urlaub.

Nachdem die Pläne für den erneuten Bulgarien-Urlaub leider auf Eis gelegt werden mussten, hat ein anderer Plan Gestalt angenommen, der mich in nördlichere Gefilde führen soll. Auf dem West-Highland-Way, einhundert Meilen durch das Schottische Hochland - im Moment noch nur eine wage Idee, an der aber kräftig gearbeitet wird. Mit ein bisschen Glück (auskurierte Hüftprellung und die Auffindung bezahlbarer Allwetter-Ausrüstung sind notwendig) könnte die Verwirklichung bereits Anfang Oktober unmittelbar vor dem Semesterbeginn gelingen - spätestens im nächsten Frühjahr soll es aber soweit sein, dass mich ein Flieger nach Glasgow bringt und ich die einhundert Meilen in hoffentlich zehn Tagen bewältigen kann.

Wer könnte mit diesem Traum in Aussicht noch behaupten, das Leben sei nicht schön?

1.9.06

Grinchige Gedanken

"The nerve of those Whos. Inviting me down there - and on such short notice. Even if I wanted to go my schedule wouldn't allow it. Four o'clock, wallow in self pity; 4:30, stare into the abyss; 5:00, solve world hunger, tell no one. 5:30, jazzercize. 6:30, dinner with me. I can't cancel that again. 7:00, wrestle with my self-loathing; I'm booked. Of course, if I bump the loathing to 9 I could still be done in time to lay in bed, stare at the ceiling and slip slowly into madness. But what would I wear?" (the Grinch)
Eine beunruhigende Bewunderung für den Grinch, jenen durch Jim Carrey verkörperten, grünhaarigen Anti-Weihnachts-Alf erfasst mich heute Abend. Die Verachtung für kleingeistige, spaßfixierte und selbstverliebte Humanoide scheint uns zu Brüdern im Geiste zu machen. Während die Arbeitsmotivation durch den gestrichenen Urlaub noch einmal einen Negativschub erhalten hat, verstärkt sich das Gefühl alleine zwischen Spaßzombies zu weilen, die ihr Leben mit rechtschaffener Arbeit, pflichtbewusstem Konsum und überflüssiger Selbstreproduktion erfüllt sehen. Eine Millionen Menschen in einer Stadt - und diejenigen, welche die Menschheit in der einen oder anderen Weise weiterbringen lassen sich wohl an einer Hand abzählen - ohne alle Finger benutzen zu müssen, wohlgemerkt. Es ist nicht so, dass ich mich selbst hier als Ausnahme sehe - als strebsamer Misantrop ist mir meine eigene Entbehrlichkeit durchaus bewusst. Was ich den geistlosen Untoten der Spaßgesellschaft vorwerfe, ist die grenzenlose Unbekümmertheit mit der sie sich dem hingeben was sie infamerweise als Leben bezeichnen, die Selbstverständlichkeit mit der sie ihren Hirntod zelebrieren, die kleinen und großen Dinge, mit denen sie die Notwendigkeit ihrer Existenz negieren.

Wenn das Lästern über Mitmenschen die Diskussion über Ideen ersetzt, wenn das Privatfernsehen als goldenes Kalb in den Fokus der Götzenverehrung rückt, wenn Gedanken nicht gedacht sondern nur übernommen werden - dann verhöhnt diese gedankenlose Lebensweise jeden, der sich tatsächlich um Verbesserungen bemüht. Fortschritt existiert nur noch als technischer Begriff, die gesellschaftliche Apokalypse wird ignoriert oder wenigstens als unabwendbar hingenommen - solche Probleme zu lösen wird den Machtbesessenen, postenverschachernden Politikern überlassen, einmal alle vier Jahre ein Kreuz zu machen reicht doch aus, die Welt ein kleines Bisschen besser zu machen.

Sollte sich, an einem dunklen Abend, in der warmen Wohnung zwischen der Tagesschau und Wetten, dass...? plötzlich das Gewissen melden, gibt es ja den Ablasshandel des Medienzeitalters, die Spendenquittungen des Roten Kreuzes oder der Aktion Mensch, die uns schwarz auf weiß versichern, dass wir gute Menschen sind...
Menschen, ich verachte euch!



"Hate, hate, hate. Hate, hate, hate. Double Hate. LOATHE ENTIRELY." (the Grinch)