20.7.06

Hektische Bewegungen vermeiden...

... war der einzige gute Vorsatz, den ich anlässlich des letzten Jahreswechsels gefasst habe. Nachdem die erste Hälfte des Jahres vertrichen ist (wobei ich nicht behaupten kann nennenswert dazu beigetragen zu haben) wird es Zeit ein Zwischenfazit zu ziehen: Der Vorsatz, geprägt durch die Bestrebung entspannter und gelassener mit dem Alltag umzugehen hat sich bewährt - die allgemeine "Grundentspanntheit" wirkt sich positiv auf mich und meine Umgebung aus. Es fällt leichter sich an den sogenannten "kleinen Dingen" zu erfreuen - einer kleinen Aufmerksamkeit, einem netten Gespräch, einem schönen Tag, oder auch an den blühenden Blumen auf meinem Balkon, die ich höchstselbst gepflanzt und großgezogen habe.
Auch wenn ab und an noch die alte "bukowskieske" Alles-Scheiße-Einstellung der Menscheit als solcher gegenüber durchschlägt, schaffe ich es doch immer öfter mich auf die schönen Seiten des Lebens zu konzentrieren.

"Wenn man das, was man wünscht, unwichtig nimmt, das, wass man hasst, wichtig nimmt, woher soll dann das, was man wünscht, kommen?" - Lü Bu We, chinesischer Philosoph, 300 v. Chr - 235 v. Chr.

Wohnungssuche in Ossendorf

"Manchmal ist mir, als hätte man uns in einen Film gesperrt. […] Und es ist ein schlechter Film." - Charles Bukowski, Den Göttern kommt das große Kotzen

Das sich eine Wohnungsbesichtigung bereits auf der Fahrt zur Wohnung erledigt mag vorkommen, gehört allerdings erst seit kurzem zu meinem persönlichen Erfahrungsschatz. Groß, günstig und modern erfüllte die Wohnung an sich jegliche Voraussetzungen um mich ernsthaft dazu zu bewegen, einmal über einer Standortwechsel nachzudenken – Problem: Der Stadtteil Ossendorf in dem das Domizil meiner Wahl angesiedelt ist, genießt in Köln doch eher einen zweifelhaften Ruf.

Ermuntert durch die positiven Erfahrungen, die ich in Bickendorf (dessen Ruf nicht wesentlich besser ist) machen konnte, bestieg ich nichtsdestotrotz die Linie 5 um 44m² Wohnraum zu in Augenschein zu nehmen. Nachdem die KVB, in diesem Fall vertreten durch die oben genannte Strassenbahnlinie, mir eindrucksvoll aufgezeigt hatte welch traumhafte Anbindung ich in meiner derzeitigen Wohnung an den ÖPNV habe, schlugen mir in der Bahn höchstselbst sämtliche Sozialprobleme Deutschlands direkt ins Gesicht. Pöbelnde Betrunkene, kotzende Kleinkinder, schreiende Asoziale, bettelnde Punks und prügelnde Volksgenossen mit Migrationshintergrund verwandelten die Bahn in eine olfaktorische und akustische Hölle. Nachdem ich während einer Fahrt von vier Stationen zweimal den Sitzplatz wechseln musste (zunächst floh ich vor der massiven Präsenz eines angetrunkenen Londsdale-T-Shirt-Trägers, der sich schwitzend an mich kuschelte und dessen Geruch mir Übelkeit verursachte, danach wechselte ich auf einen Stehplatz, nachdem sich ein Kind auf den Nachbarsitz erbrochen hatte) wurde ich an der Zielstrassenbahnstation von einem unerträglichen Pisse-Geruch und einer Gruppe Jugendlicher begrüßt, dich mich um Geld und/oder Zigaretten anschnorrten.

Auf dem Weg von der Bahn zur Wohnung flanierte ich vorbei an Gruppen ärmelloser Kampfhundbesitzer, die sonnenbankgebräunt und fitnessstudiogestählt Bierflaschen hin und her schwangen und durch ihr gesamtes Auftreten eine latente Aggression verbreiteten, vorbei an Sonnenstudios, Videotheken, Kiosken und mehr Sonnenstudios – vermutlich bewahrten mich nur die hochsommerlichen Temperaturen vor brennenden Mülltonnen.

Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich dazu entschlossen nicht in diese kulturelle Diaspora zu ziehen – meine physische und psychische Unversehrtheit wäre in einem solchen Umfeld wohl kaum gewährleistet.

Die Wohnung entpuppte sich als Schmuckstück – wäre ich nicht mit der Bahn dorthin gefahren, würde ich wohl bald umziehen...